„Fremde dürfen das nicht“

von Friederike Gehlenborg / Zeitung die Welt

Quelle: Die Welt, Mittwoch 10. November 2010, Seite 31, Hamburg / ganzseitig

Der Hase und sein bester Freund, der kleine Bär, gehen immer zusammen zur Schule. Sie sind Schultiere und drücken deshalb wie alle Kinder aus der Vorschulklasse C der Schule An der Gartenstadt in Hamburg Wandsbek jeden Tag die Schulbank.

Meistens ist der Kleine Bär fröhlich, aber heute weint er bitterlich.
„Ich bin so traurig, weil ich oft berührt werde. Das mag ich gar nicht. Liebe Kinder wisst ihr, was ich dagegen tun kann?“, fragt der kleine Bär, der mit einer Handpuppe von Klassenlehrerin Sabine Bohlen-Ross gespielt wird.

Die Schüler überlegen kurz, dann schlägt Jela vor:
„Du kannst den Menschen sagen, dass Du nicht angefasst werden willst.“

Durch das Szenario der Schultiere lernen die Kinder auf spielerische Art verschiedene Themen der Gewaltprävention, wie zum Beispiel den Umgang mit aufgedrängten Berührungen, kennen.

Das Programm „Die Schultiere“ ist Teil des Konzepts „Frühförderung Gewaltprävention„, das von Tetje Velmede entwickelt wurde. Er ist französischer Sozialpsychologe und gründete die Eigeninitiative LehrKraftWerk in Hamburg. Im Zuge dessen unterstützt Velmede Maßnahmen der Gewaltprävention in Schulen. Vor drei Jahren entwarf er gemeinsam mit dem Erzieher und Illustrator Florian Weitschies und der Sozialpädagogin und Kindertherapeutin Frau Bohlen-Ross und ihrer damaligen Vorschulklasse erste Teile des Konzepts der Schultiere, das seitdem kontinuierlich weiterentwickelt worden ist. In erster Linie soll dadurch das positive Selbstvertrauen der Kinder gestärkt werden, so dass sie beispielsweise lernen, deutlich ihre Meinung zu äußern ohne dabei Gewalt anzuwenden. „Wir möchten den Schülern Möglichkeiten aufzeigen, wie sie Probleme und Stressfaktoren im Schulalltag friedlich lösen können“, sagt Tetje Velmede.

Die Schultiere Tierkreiszeichen
Das Tierkreiszeichen der Schultiere

Das Programm „Die Schultiere“ ist Teil des Konzepts „Frühförderung Gewaltprävention„, das von Tetje Velmede entwickelt wurde. Er ist Sozialpsychologe und gründete die Eigeninitiative LehrKraftWerk. Im Zuge dessen unterstützt Tetje Velmede Maßnahmen der Gewaltprävention in Schulen. Ab 2007 entwarf er gemeinsam mit dem Erzieher und Illustrator Florian Weitschies und der Sozialpädagogin und Kindertherapeutin Frau Bohlen-Ross und ihrer damaligen Vorschulklasse erste Teile des Konzepts der Schultiere, das seitdem kontinuierlich weiterentwickelt worden ist.


In erster Linie soll dadurch das positive Selbstvertrauen der Kinder gestärkt werden, so dass sie beispielsweise lernen, deutlich ihre Meinung zu äußern ohne dabei Gewalt anzuwenden. „Wir möchten den Schülern Möglichkeiten aufzeigen, wie sie Probleme und Stressfaktoren im Schulalltag friedlich lösen können“, sagt Tetje Velmede.

Klassenlehrerin Sabine Bohlen-Ross erläutert den Kindern der Vorschulklasse, wie sie sich bei unliebsamen Berührungen wehren können.

Im Bereich der Gewaltprävention an Hamburger Schulen gibt es großen Handlungsbedarf:
Laut Angaben der Schulbehörde hat die Bereitschaft zur Gewaltanwendung massiv zugenommen. So stieg die Zahl der meldepflichtigen Vorfälle innerhalb eines Jahres um 34 Prozent.
Jüngsten Zahlen zufolge, die sich auf den Zeitraum von April 2009 bis März 2010 beziehen, gab es 448 gemeldete Gewaltvorfälle an Schulen. Im Vorjahreszeitraum waren es nur 325. Besonder alarmierend ist, dass die Zahl der schweren Taten wie Raub-, Drogen- und Sexualdelikte mit 180 gemeldeten Taten im neuen Erfassungszeitraum sehr hoch ist.

Wenn an Schulen schon früh mit Präventionsmaßnahmen begonnen wird, dann ist die Hoffnung besonders gross, dass Gewaltfälle an Schulen vermieden werden können.

„In der Vorschule wird das Fundament für die gesamte Schulzeit gelegt“, so Lehrerin Sabine Bohlen-Ross. „Kinder, die früh gelernt haben, friedlich miteinander umzugehen, üben wahrscheinlich auch später keine Gewalttaten auf dem Schulhof aus.“

Sabine Bohlen-Ross

Die Gewaltprävention in Vorschulklassen sollte nach Bohlen-Ross auf jeden Fall auf spielerische Art stattfinden und so die Gefühle der Kinder ansprechen. Mit dem Konzept der Schultiere funktioniert das bestens:
Die Kinder der Vorschulklasse zeigen großes Mitleid mit dem traurigen Bären, und alle wollen ihm helfen. Sie raten ihm, dass er bei ungewollten Berührungen ganz laut rufen soll: „Nein, ich will das nicht!“

Owen hat noch einen weiteren Vorschlag: „Wenn er nicht berührt werden will, dann soll er die Hand heben.“ Die rund 20 Kinder der Vorschulklasse zeigen das dem Bären.
Danach bekommen sie von Sabine Bohlen-Ross den Auftrag, eine Zeichnung des Bären auszumalen, um damit zu demonstrieren, wo er nicht angefasst werden möchte.

Das Malen folgt dem Ampelprinzip: Rot für absolute Tabuzonen und grün für Körperstellen, an denen der Bär gern berührt wird. Scheinbar automatisch übertragen die Kinder ihre eigenen Gefühle dabei auf den Bären.
„Den Bauch habe ich gelb gemalt, weil der Bär dort nur von seiner Mutter berührt werden darf“, erwähnt Smilla. „Fremde dürfen das nicht!

Das Programm der Schultiere umfasst Rollenspiele, Diskussionsrunden und Arbeitsblätter und wird ein Jahr lang einmal pro Woche in den Unterricht integriert. Momentan wird es nur in der Schule An der Gartenstadt durchgeführt, da die offizielle Programmliteratur noch nicht veröffentlich ist. Im Frühjahr nächsten Jahres möchte Velmede die Literatur mit illustrierten Kurzgeschichten und Arbeitsanweisungen für Lehrer herausgeben. So können im kommenden Schuljahr mehrere Schulen mit dem Konzept starten.

Quelle: Die Welt, Mittwoch 10. November 2010, Seite 31, Hamburg.
mit Korrekturen durch Velmede